Herzmut Podcast: Liebeskummer, Beziehungsthemen und Singleleben

Mag. Sabine Weiss, Psychologische Beraterin für Liebeskummer, Beziehungsthemen und Singleleben

Häusliche Gewalt – Formen, Warnzeichen und die Frage: warum?

Häusliche Gewalt fängt nicht erst beim blauen Auge an. Körperlicher Gewalt geht fast immer psychische Gewalt voraus und gerade hier sind die ersten Warnzeichen zu finden. Warum es nicht deine Schuld ist und du trotzdem gehen musst.

08.07.2016 12 min Mag. Sabine Weiss, Psychologische Beraterin für Liebeskummer, Beziehungsthemen und Singleleben

Zusammenfassung & Show Notes

Häusliche Gewalt fängt nicht erst beim blauen Auge an. Körperlicher Gewalt geht immer psychische Gewalt voraus und gerade hier sind schon die ersten Warnzeichen zu finden. Warum es nicht deine Schuld ist und du trotzdem gehen musst. Lies unbedingt mehr, wenn du schon mal Angst vor deinem Partner gehabt hast!

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Zugegeben, ich bin nicht sehr oft mit dem Thema konfrontiert aber hin und wieder ist es auch in meiner Beratung Thema: häusliche Gewalt. Was sich langsam einschleicht wird leise immer lauter und endet schließlich im ersten Übergriff. Eine Ohrfeige, ein Rempler, ein verdrehter Arm es geht schnell und zwar meistens so schnell, dass die Betroffenen kaum verarbeiten können was passiert ist zumindest nicht im ersten Moment.

Häusliche Gewalt Formen von Gewalt

Auslöser ist dabei meistens ein eher kleines Thema, eine Meinungsverschiedenheit, ein kleiner Streit. Wer bei häuslicher Gewalt immer gleich an ein riesiges Eifersuchtsszenario denkt, liegt meist daneben. Tatsächlich traue ich mich noch am ehesten zu vermuten: wer heimkommt und seinen Partner im Bett mit einer Anderen findet, dabei ausrastet und wütend um sich brüllt und schlägt, hat vermutlich noch kein ernsthaftes Problem mit Gewalt. Wer allerdings fünf Minuten danach zurückkommt und dann zuschlägt, schon.

Es gibt einen minimalen zeitlichen Unterschied zwischen Affekt und Entscheidung. Er mag klein sein reicht aber aus  um zu unterscheiden und vor allem zu wählen.

Psychische und körperliche Gewalt

Tatsächlich fängt häusliche Gewalt meist viel früher an, lange vor den ersten Schlägen. Bei häuslicher Gewalt wird üblicherweise zwischen psychischer Gewalt (oft auch verbale Gewalt genannt) und körperlicher Gewalt unterschieden.

Diese Unterscheidung mag recht logisch klingen, tatsächlich ist es in meinem Erleben so, dass noch nie körperliche Gewalt ein Thema war, ohne dass nicht schon vorher verbale Übergriffe da waren. Psychische Gewalt ist also schon ein Warnzeichen!

Es ist mir wichtig das herauszustreichen, denn wenn du auf dieser Seite gelandet bist, weil dein Partner dich rhetorisch zur Schnecke macht KANN es sein, dass auch körperliche Übergriffe nicht mehr weit sind.

Nicht jede Form der Gewalt schlägt auch zu aber jede verletzt!

Ist es deine Schuld, wenn du von häuslicher Gewalt betroffen bist?

Es gibt zum Glück mittlerweile wirklich gute Hilfe-Seiten zu diesem Thema, ich liste dir einige davon unten auf. Ich möchte an dieser Stelle auf einen meiner Meinung nach oft eher vernachlässigten Aspekt eingehen. Das Gefühl nämlich, dass du selbst dran schuld bist, wenn du von häuslicher Gewalt in welcher Form auch immer betroffen bist. So gut wie jedes Mal wenn das Thema häusliche Gewalt im Coaching ein Thema wird, folgt irgendwann immer der Satz: „Weißt ich frag mich einfach nur, ob ich nicht vielleicht wirklich selbst dran schuld bin. Dass ich es irgendwie provoziert habe.“

Ganz viele Menschen, die noch nie einem Übergriff in der Beziehung ausgesetzt waren, können diesen Aspekt nicht verstehen. Genausowenig wie den Umstand, dass man nach einem Übergriff nicht gleich seine Sachen packt und geht. Ja, als Außenstehender ist das leicht, meiner Meinung nach fehlt hier aber jede Empathie für das emotionale Erleben des Opfers.

Warum man bei häuslicher Gewalt die Schuld (oft) bei sich selbst sucht:

  1. Tatsache ist, die Meisten von uns wurden (zum Glück) schon relativ gewaltfrei erzogen die Betonung liegt auf relativ. Ich selbst habe zB noch Ohrfeigen bekommen, wenn ich etwas besonders schlimmes angestellt habe. Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, habe aber so die Idee von „es waren nur ganz wenige und die hatte ich bestimmt verdient“. Nun bin ich 1973 geboren und das war damals eine andere Zeit. Meine Mutter ist noch mit wesentlich härteren (und gesellschaftlich damals völlig akzeptierten) Maßnahmen gezüchtigt worden, genauso wie heute nicht mal mehr Ohrfeigen akzeptiert sind.
    Allerdings wirklich niemand hat bis heute herausgestrichen oder thematisiert, dass das damals ein Manko (und vielleicht auch eine Überforderung) der handelnden Personen war. Jeder verurteilt heute die Handlungen, aber die Personen? Das ist noch nicht in unserem Weltbild angelangt.
    Gewalt wird noch immer oft als (verdiente) Maßregelung empfunden und noch nicht als alleiniges Fehlverhalten des Täters.
    Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn man völlig überfordert ist in den ersten Momenten nach einem körperlichen Angriff. Jeder von uns kennt Gewalt nur zur Maßregelung, also ist es kein Wunder, dass man erst Mal die Schuld bei sich sucht. Völlig überfordert greift man auf die einzige, verbreitete Erklärung zurück. „Ich muss es ja verdient haben.“
  2. der Täter entschuldigt sich danach meistens wortreich und signalisiert uns damit: Ja, es tut mir leid, ja es war ein Fehlverhalten, bitte verlass mich nicht, ich bessere mich. Dadurch fühlen wir uns sofort erleichtert, denn jetzt wird die Frage der Schuld von uns genommen. Es hat aber noch einen zweiten Aspekt: nämlich weil die meisten von uns weitgehend gewaltfrei erzogen wurden, fehlen Erklärungsmodelle für Übergriffe und Vorbilder für mögliche Reaktionen. Das führt dazu, dass ein Opfer von häuslicher Gewalt beim ersten Mal völlig erschüttert in seinem Weltbild und hilflos im Umgang damit ist. Nicht selten erlebe ich, dass ein Knuffer oder Rempler erstmal hinterfragt wird, ob das überhaupt ein Übergriff war. Ja, war es. Das nachträgliche Verhalten hilft uns in unserem Verstehen und scheint unser Weltbild wieder gerade zu rücken. Und gerade weil Gewalt in Beziehung eigentlich so gar keinen Platz hat, glauben viele nur zu gern, dass es wirklich nur bei diesem einen Ausrutscher bleibt.
  3. Niemand will gern zugeben, dass er/sie Opfer von häuslicher Gewalt geworden ist. Man will einfach nicht wahrhaben, dass der geliebte Mensch zu so einer Tat fähig ist. Um sich nur irgendwie erklären zu können, wie das aber doch passiert ist, sucht man die Schuld bei sich siehe Punkt 1.

Wichtig für dich ist die Schuld hat IMMER der Täter! Egal welches Verhalten du an den Tag gelegt hast, nichts wirklich gar nichts rechtfertigt häusliche Gewalt!

Was tun bei häuslicher Gewalt

Dazu möchte ich ganz dringend etwas sagen:

DIE HEMMSCHWELLE IST BEIM ERSTEN MAL AM GRÖSSTEN!

Das erste Mal ist wie eine unsichtbare Schwelle. Wer diese Schwelle überschreitet, hat ein Hindernis genommen und die persönliche Zurückhaltung wird mit jedem weiteren Mal immer weiter sinken. Das ist einer der Gründe, warum ich so dringend darauf appelliere: du musst dich nach dem ersten Mal völlig distanzieren. Ich erlebe leider immer wieder, dass den wort- und tränenreichen Entschuldigungen Glauben geschenkt wird, weil man das ja selbst auch will (siehe oben) und weil eine Trennung noch mit zusätzlichen Schmerzen verbunden wäre. Aber glaube mir: von 10 Menschen schafft es vielleicht einer, der aus diesem Erlebnis tatsächlich sein ganzes weiteres Leben bzw Verhalten ändert. Denn genau das braucht es.

Ich werde oft gefragt: ja aber muss es denn so schwarz/weiß sein, kann es denn hier kein grau geben?
Meine Antwort? Nein. Ich bin sehr für grau in ganz vielen anderen Fragen, aber beim Thema häuslicher Gewalt und auch generell ist zumindest in meinem Erleben kein Platz für grau. Da ist nur Platz für Schluss machen.

Und bitte glaube mir: es ist ein frommer Wunsch, dass du mit deiner Liebe diesen Menschen dabei hilfst, diesen Punkt zu überwinden.

Die Gefahr der Co-Abhängigkeit bei häuslicher Gewalt

Ganz oft haben die Täter selbst eine unfassbare Geschichte hinter sich und fast ist man geneigt, den eigenen Ausbruch als Lapalie und Weiterentwicklung im Vergleich zu dem zu sehen, was der Täter selbst erlebt hat. Aber bitte glaube mir: es ist schon für Therapeuten eine Herausforderung, jemanden mit so einer Geschichte zu begleiten. Für dich als Partner ist es fast unmöglich.

Es gibt Risse in der Seele eines Menschen, die kannst du nicht heilen. Und es ist auch nicht deine Aufgabe.

Ganz oft sagen meine Klienten dann auch: aber er ist eh schon von so vielen Menschen hängen gelassen worden, da möchte ich jetzt nicht auch einer davon sein. Bitte mach dir klar, dass das unglaublich selbstlos klingt, aber maßlos egoistisch ist. Du glaubst, dass ausgerechnet du ihn jetzt heilen und helfen kannst und das schaffst, woran alle vor dir gescheitert sind. Das hat nur wenig mit Liebe und Hilfe für den Täter zu tun. Denn tatsächlich müsste der Täter massiv mit Grenzen und Konsequenzen konfrontiert werden, um wirklich eine Motivation in Richtung Veränderung zu erleben. Und danach darf er/sie sich ausreichend in Therapie begeben, um seine Gewaltbereitschaft und Aggressionen zu verstehen und andere Wege zu finden, damit umzugehen.

Ich habe dazu auch ein sehr persönlich gewordenes Video gedreht. Persönlich deshalb, weil man mir anmerkt, dass ich nicht professionell distanziert bin. Ich habe deshalb  lange überlegt, ob ich es überhaupt veröffentlichen soll. Aber schließlich gehts genau darum: Berührungsängste abzubauen, Betroffenheit zu zeigen und mit Mut voranzugehen.

Wichtig ist: hör auf deinen Bauch. Wenn du gerade in der Kennenlern-Phase schon manchmal ein komisches Gefühl hast, dass dein Partner hochemotional auf deine Freunde, Familie oder Hobbies reagiert und versucht, dich hier auf eine (auch durchaus sehr liebevolle) Art anfänglich schon zu entfremden und mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, kann das schon ein erster Hinweis sein.

Häusliche Gewalt ist einfach noch immer ein Tabu-Thema. Und die Tatsache, dass sie daheim (= häuslich) stattfindet, macht es nicht leichter. Leider ist es aber nicht nur so, dass die Täter es gern verschweigen, sondern leider auch die Opfer. Ich möchte dich daher wirklich ermutigen sprich darüber! Schreib es auf in Tagebuch-Form. Erzähl es zumindest einigen wenigen engen Vertrauten! Zeig es an! Ja ich weiß, der Schritt die häusliche Gewalt dann auch noch bei der Polizei offenkundig zu machen ist nochmal eine extra Hürde. Aber wie weiter oben schon geschrieben bei häuslicher Gewalt gibt es kein Zurück und die Hoffnung, dass der/die Täterin sich ändert ist zwar groß aber unrealistisch. So hart es an dieser Stelle auch klingt Opfer die alles für sich behalten und dann erst bei der Scheidung oder einem Sorgerechtstreit die Gewalt das erste Mal erwähnen, werden leider oft unglaubwürdig eingeschätzt.

Zusammenfassend:

  • Häusliche Gewalt ist kein Kavaliersdelikt.
  • Der körperlichen Gewalt geht fast immer psychische Gewalt voraus.
  • Wenn der Bann einmal gebrochen ist, gibt es aus meiner Sicht kein Zurück. Weder beim Täter noch beim Opfer. Egal wie geschockt du und vielleicht sogar ihr beide seid. Egal wie glaubwürdig die Entschuldigungen klingen.
  • Da ist so viel innere Arbeit beim Täter notwendig, das braucht Therapie, das braucht Unterstützung und zwar von Profis. Von dir braucht es Distanz.
  • Gewalt beginnt dort, wo die Angst beginnt. Niemand sollte vor seinem Partner Angst haben. Wenn du schon ein komisches Gefühl hast, bitte hör darauf !!!

Abschließend: weiterführende Seiten bei häuslicher Gewalt

http://phoenix-frauen.de/     bietet auch einen kostenlosen 10-Schritte-Plan aus einer Gewaltbeziehung an!
http://www.re-empowerment.de/

http://www.rataufdraht.at/

https://www.nummergegenkummer.de/

Gern kannst du dich bei Fragen natürlich auch an mich wenden. Wenn du ein Opfer von häuslicher Gewalt bist, bitte zögere nicht und schreib auch gerne mir, wenn du dich hier als ersten Schritt besser aufgehoben fühlst. Alles weitere dann hinter den Kulissen.

Alles Liebe, ganz viel Herz & Mut!

Sabine

2024 - Mag. Sabine Weiss, Psychologische Beraterin für Liebeskummer, Beziehungsthemen und Singleleben